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Minus-Archiv-Visionen 2005

Dezember 2003

Ingo Niermann, Dienstag, 09 December 2003, 10:42 Uhr

"Helden der Insolvenz"

Heute Süddeutsche Zeitung, "Wie ich mein Kunde war" über 'Minusvisionen':

"Erst das emphatisch bejahte Paradox, selbst sein bester Kunde zu sein, ermöglicht originelle Produktentwicklungen, die sich vom Phlegma der Marktforschung, von der Trägheit der Nachfrage loskoppelt."

"'Minusvisionen' ist ein euphorisches Buch, weil es einen wilden Kapitalismus vorstellt, in dessen Herzen die Freiheit schlägt. Falsche Romantik schleicht sich in keines der Protokolle, dazu sind die Folgelasten meist zu real. Aber Katzenjammer wird man noch viel weniger heraushören. Voller Faszination kann man hier verfolgen, wie diese fünfzehn Unternehmer alle ihre Größenphantasien, Wunschträume und fixen Ideen, die wir anderen uns nur privat, innerpsychisch leisten, sofort entäußern, materialisieren und äußere Gestalt annehmen lassen. Es ist eine Art manischer Hegelianismus, in dem die Idee immerfort zur Wirklichkeit drängt und sich das Wahre verbittet, nicht auch das Wirkliche zu sein."

http://www.sueddeutsche.de/sz/feuilleton/red-artikel2296/

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Don Alphonso am Dienstag, 09 December 2003, 18:17 Uhr:
Und wieder so eine Rezension, nach der man sich einen Verriss sparen kann - wieso sind die nicht in der Lage, ein Buch zu besprechen, ohne einen Absatz zuvor nochmal ihre gesamte akademische Bildung auszupacken? Niemand interessiert, ob Frau Mangold einen auf Schirrmacher oder den jungen Raddatz machen will. Sage sie doch einfach: Gut, amüsant, lehrreich, eine sinnvolle Investition.

So ist es nur Journaille ohne Denke. Die Zielgruppe muss sich beim Lesen quälen, und: kann ein Buch gut sein, das von dieser Person dergestalt gelobt wird? Für Frau Mangold sind Tempo und Wiener umsonst gestorben.

Ingo Niermann am Mittwoch, 10 December 2003, 13:06 Uhr:
Lieber Don Alphonso, für wen Tempo und Twen gestorben ist, kannst du hier nachlesen:
http://archiv.tagesspiegel.de/archiv/16.11.2003/841419.asp

Don Alphonso am Mittwoch, 10 December 2003, 23:07 Uhr:
Lieber Ingo Niermann,

traurig, nicht wahr? Ich konnte mich nie von meinem Tempoarchiv trennen (bis Mitte 1994), und als Neon herauskam, habe ich es wieder ausgepackt und bitterlich geweint. Nicht um alle. Nicht um Lorenz, Seidl und wie sie alle heissen, die Angepassten, und auch nicht um Biller, der nun mal leider kein Literat ist. Aber um so viele andere. Um meine verlorene Jugend. Um das Anything goes. Um die Zeit, als ein gewisser C. noch ein E. vor dem K. hatte.

Zeitgeist ist heute nur noch ein drittklassiger Bekleidungsladen, dem eines der letzten guten Kinos in München, der Türkendolch, weichen musste.

Und ich will nicht glauben, dass es das gewesen ist und die Brand1 und Neons alles bekommen. Dagegen gilt es anzuschreiben.

SUB am Donnerstag, 11 December 2003, 11:26 Uhr:
"Dummy" ist ein Anfang. Vermutlich die einzige Zeitschriftenneuerscheinung des Jahres 2003, die Texten einen höheren Stellenwert einräumt, als Modestrecken. Es ist erfrischend, keine grotesk geschminkten Kunststudenten betrachten zu müssen, die auf Nachwuchsmodel machen. Und verheultes Make-Up braucht auch kein Mensch mehr. Wie gesagt, Dummy ist ein Anfang.

Alexander Wolf am Donnerstag, 11 December 2003, 12:58 Uhr:
Als Hüter der Blog-Pflichten hier der Link zu Dummy : www.dummy-magazin.de

Mit ist das Heft übrigens noch nicht über den Weg gelaufen.

Don Alphonso am Donnerstag, 11 December 2003, 14:49 Uhr:
Daran wird es wohl auch liegen, dass es etwas für die Neuauflage der Minusvisionen wird. Aber besser versuchen, als sein lassen. Es fehlt einfach der gesamtjugendliche Wille, sich auf ein Ding festzulegen, und dann noch ein definiertes Feindbild zu haben. Tempoleser und Wienerleser. Uno Turbo gegen Golf Cabrio. Babalu gegen P1.

Jens Thiel am Donnerstag, 11 December 2003, 16:26 Uhr:
Am Exempel entlang:
Dummy? Farbreduzierte Bilder, verschmirgelte Illustrationen von 4000, die schon vor fast so vielen Jahren genau so aussahen, die Aldi-Brüder sind nicht zu fassen, ach, und der Junge Mann aus dem Lexy&KPaul-Video schreibt auch ein Stück, schöne Bilder von Ulrich Lamsfuss schlecht gedruckt, nach hinten scheint es, das Heft musste vollgeschrieben werden und die über die letzten Monate gesammelten Texte wurden knapp. Ich habe etwas Angst vor der nächsten Ausgabe.
Die Abwesenheit der verheulten Modestudenten allerdings tut in der Tat gut. Ebenso empfinde ich aufrichtigen Respekt und Sympathie für das Unternehmen.

Von der Referenz her:
Ich verliebe mich seit einigen Jahren nicht mehr. Ich bewahre auch kaum mehr etwas auf, weil ich mir albern dabei vorkomme. Das allermeiste früher Aufbewahrte habe ich inzwischen auch weggeworfen.
Ich schlage eine Wiederentdeckung des "nachher" vor; einen Streit darum, der sich nicht selbst mit Referenz-Gebäuden stranguliert, nach vorne statt zur Seite zu gucken, Jubeln statt Meckern, irgendwas findet man schon, um das "was" zu streiten, Eroberungsprosa zwischen Fronten, Feindbilder finde ich eher nebensächlich, in der Kunst z.B. bleibt meist schon das Richtige übrig, und das mit der "Generation Tempo" tut mir gerade irgendwie fast leid. Lasst mal weg davon. War ja letztes Jahrtausend.

Don Alphonso am Donnerstag, 11 December 2003, 18:11 Uhr:
Die Frage ist eher eine kulturhistorische: Ist man bereit, die Deutung dieser jüngsten Vergangenheit einem Herrn Illies zu überlassen? Die einen zeigen Momentaufnahmen, isolierte Prozesse mikroskopisch aufgelöst - eigentlich die Tradition von Iempo, und dieses Tempogefühl, mit Verlaub, beschlich mich gestern beim Lesen der Minusvisionen. Die anderen klatschen den langen Weg dorthin mit ihrer Sichtweise zu - das ist die FAZ. Es missfällt mir zutiefst, in meiner Gegenwart von der Vergangenheit eines Herrn Illies diskreditiert zu werden. Nicht einmal das desöfteren praktizierte Kartätschen des Illies an meiner Person kann dieses Gefühl ganz ausschalten.

Die Frage, die manichäisch-scharfkantig in das Jetzt hereinragt, heisst: Schirrmacher oder - und hier sollte man sich fragen, was dem entgegenzusetzen ist. Und zwar so, dass die FAZ genauso reaktionär dagegen zurückfällt, wie sie im Kern immer gewesen ist - ganz gleich, welcher Seidl darübertünchte. Geschichte endet nun mal nicht, und hält sich nicht an Jahreszahlen.

Christian Kracht am Sonntag, 14 December 2003, 11:59 Uhr:
Liebe Herren,

chronologisch war es damals so:

1.) Markus Peichl
2.) Lukas Koch
3.) Juergen Fischer
4. Michael Juergs
5.) Walter Mayer

Und qualitativ war es so:

1.) Walter Mayer
2.) Markus Peichl

69nett am Sonntag, 28 December 2003, 18:31 Uhr:
...und trotdem war´s ne geile Zeit!!!
...und wie retten wir unsere Sicht der Dinge, die natürlich alles erst so geil machte???
...und wieder machen würden...

Denn was soll denn das ganze Geld(i.S.v. keine Mangelware) alleine so anfangen, ohne Visionen (definitiv Mangelware).
Vielleicht lag das Geheimniss im Aufruf zum Träumen liegen, nicht wirklich zum protestieren...

...a lá "I'´ve a dream "

69nett am Sonntag, 28 December 2003, 18:38 Uhr:
na ja das mit den rechtschreiben lernt man beim träumen eher nicht, vielleicht beim erbsenlesen?;) scheiss der Hund drauf


Ingo Niermann, Samstag, 06 December 2003, 10:45 Uhr

Minusvisionen am Sonntag

Jens Thiel berichtet, wie er - noch minderjährig - Unternehmer in der DDR wird, später Tauscher von Ostmark am Bahnhof Zoo, Gebrauchtwarenhändler und Börsenspekulant,

und ich lese erstmals aus einem Protokoll, das im Buch nicht erscheinen konnte: das meines Lektors Mathias Gatza. 1990 gründet er den Gatza Verlag, prompt von der 'Zeit' zu "einer guten Adresse für Überraschungen" erkoren. Nach der Insolvenz 1995 beginnt für Gatza und seine Autoren eine Odyssee durch mehrere deutsche Verlage.

7.12. 20 Uhr
Eggers Landwehr
Rosa-Luxemburg-Straße 17
Berlin Mitte

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frank am Sonntag, 07 December 2003, 17:02 Uhr:
ich liebe kurzfristige terminankündigungen. see you nachher. :)

Alex am Sonntag, 07 December 2003, 17:12 Uhr:
Ich wollte Dich gerade anrufen und einladen, aber ich hab Deine Nummer nicht hier. Freue mich, bis dann.


November 2003

Ingo Niermann, Sonntag, 30 November 2003, 13:05 Uhr

Your bag

Von der großartigen Schriftstellerin Rachel Trezise erreichte mich folgende Rundmail:

Hello Everyone,
I don't know if this is your bag, or what, but my brother's tattoo studio is open as of today.

PRESTONS INC.
Tattoo Studio & Body piercing Clinic
155, Bute Street, Treherbert, RCT.
01443 773366.

Best wishes,
Rachel Trezise.

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Volker Zimmermann am Montag, 01 December 2003, 21:53 Uhr:
Wortschatzerweiterung aus Erfurt: "Steißtribal". Passt zu "Low-Rise-Pants", "String-Tanga" und "Buffalos". Kann man sich's denken?

frank am Mittwoch, 03 December 2003, 19:30 Uhr:
ich dachte, "arschgeweih" wäre dafür der offizielle ausdruck!


Ingo Niermann, Donnerstag, 27 November 2003, 19:56 Uhr

Rettungsordnung

Ich fragte, was er, bei einer Feuersbrunst, eher retten würde, sein Manuskript oder seinen invaliden Freund. Ich gab zu verstehen, ich hätte ein gewissen Verständnis dafür, wenn er die Manuskripte eher retten würde als den behinderten Freund. Fügte bei, daß sie schließlich leichter wögen. Und wollte damit sagen, daß für ihn die Manuskripte schwerer wögen. Kann sein, für die Welt.

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Ingo Niermann, Samstag, 22 November 2003, 08:17 Uhr

Monday Stories

Lesung aus 'Minusvisionen' mit Ingo Romeo Mocek
+ Matthias Kalle liest aus 'Verzichten auf' (KiWi)
Montag, 24.11. um 21 Uhr

FC Magnet Mitte
Veteranenstraße 26 in Berlin Mitte am Weinbergspark
U-Bahn Rosenthaler Platz

Eintritt frei

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Ingo Niermann, Freitag, 21 November 2003, 11:57 Uhr

Korrekturen

Heute gibt es in der Financial Times Deutschland einen großen Artikel über "das große Buch vom Scheitern", gemeint sind die 'Minusvisionen'. Der Artikel ist lesenswert und gut recherchiert. Folgende Behauptungen in Zwischen- und Untertitel dagegen sind gleich mehrfach falsch. Sie sind Resultat der üblichen redaktionellen Nachbereitung, auf die freie Autoren kaum oder gar nicht Einfluß nehmen können.

A) "Niermann sprach mit Bankrotteuren, die im Bordell anschaffen, um ihre Gläubiger zu bezahlen". Tatsächlich handelt es sich nur um einen Interviewten, der diesen Weg ging, und er hat - wie viele im Buch - zwar im Laufe seiner Unternehmung hohe Schulden angehäuft, aber ist kein Bankrotteur.

B) "In dem Interviewband 'Minusvisionen' erzählen 14 Ex-Unternehmer vom Leben mit Scham und Schulden". Es sind 15 (in 14 Protokollen), nur einige sind Ex-Unternehmer, andere haben längst neue Unternehmen gegründet. Keiner der Interviewten lebt, wie es in der Ankündigung des Artikels heißt, ?in Scham und Schande?.

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Ingo Niermann, Mittwoch, 19 November 2003, 19:10 Uhr

Hausordnung

In einem jener angeblich unzerbrechlichen Gläser französischer Herkunft liegt seit Jahren die hohle Schale eines Hühnereis, um stumpfen Pol ein ziemlich großes Loch. Ferner ein Täßchen mit goldenem Muster, aufgemalt die Kirche von Cotterd, beschriftet: Salavaux, hergestellt bei Cottier Frères, Switzerland.
Auf dem Tablar, im oberen Fach, das, was wir, ein bißchen übertrieben, das Museum nennen. Auf einer violetten Papierserviette ausgestellt: kleine Vogelfedern, Thujazäpfchen, Steinchen. In einer Malermuschelschale ein tot gefundener, ohne weitere Präparation vertrockneter Schwalbenschwanz. Eine schwarze Vogelfeder mit weißem Fleck (Elster?), in einen Sektkorken gesteckt. Ein dreibeiniges Schälchen, von der Form eines angebrochenen Eies, Porzellan, auf taubengrauem Grund goldene Schnörkel, in einem runden Medaillon noch einem die Kirche von Cotterd.
Mehrere Postkarten: die Kirche von Montet, das Geburtshaus Marats in Boudry-Neuchatel, heute ein Restaurant. Eine mit Kritzeleien versehene leere Turmac Box; Zucker aus verschiedenen Cafés; die Stiele zweier Kristallgläser, die ich zerschlagen habe, nachdem ich mit A. H. daraus getrunken hatte.

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Christian Kracht am Freitag, 21 November 2003, 05:40 Uhr:
The Phoenix took seven months to carve from a massive redwood piece found in the creek bed of Mule Canyon. Its legs are of bronze and its jewels and fire are expressed in the many patterns of grain and texture. The Phoenix rested for fourteen years in Mule Canyon awaiting the poetic tryst that occured at the Chinese New Year 4675, Year of the Dragon, when its arrival was celebrated. Now perched on the stump of the great old oak - a legend lives...


Ingo Niermann, Samstag, 15 November 2003, 16:36 Uhr

Glaube

Wenn Kaufen das neue Beten ist, wie klein und mickrig sind dann die prächtigsten Shops. Oder sind Kathedralen wie Malls?

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