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Minus-Archiv-Visionen 2007
Juni 2007
Stefanie Roenneke, Donnerstag, 28 June 2007, 11:13 Uhr
K
Ich finde, dass mir das K, welches ich am Kragen meiner weißen Bluse trage, doch recht gut steht. Ich finde, dass es dieser Buchstabe ist, der dem ganzen Publikum ein gewisses Flair verleiht. Natürlich würde ich uns für vollständig verrückt erklären, wenn ich nicht wüsste, dass dies - hier - alles Teil der Inszenierung ist und das K - jener velarer Konsonant, gebildet durch die Kraft der Zunge, die sich leicht erhebt und am weichen Gaumen zum entscheiden Kontakt schwelgt und dann schnell wieder in der Ausgangsposition zurückschnellt - jedem freundlich und mit weichen Fingern angeheftet wurde.
Die Vorstellung hatte noch nicht begonnen, jedoch lag K bereits in seinem Bett. Er schlief. Seine letzte Ruhe wurde gestört durch Gerede, das aus dem Publikum auf die Bühne drang. Es waren Sätze, die in einem Radius von circa fünfzig Zentimeter gebildet wurden, Sätze, dass man K nicht kenne, wohl aber von Peter Weiss gehört habe. Angespornt durch diese interessanten Gespräche, fühlte sich der Theaterbesucher mit der Frage konfrontiert, wann sie oder er "Der Prozess" das erste Mal gelesen hat. Ich habe mir das Buch in einer Suhrkampausgabe gekauft. Es handelte sich um jene, die mit einem schwarzen Einband die weißen Seiten zusammenhielt. Der Titel war in einer lilafarbenen Schrift gefasst. Diese konnte man auch fühlen. Ich mochte diese Farbe. Die Pose war der Fakt, so groß, wie der Phallus - ein gerolltes Handtuch - in der Hose des Italieners, der sich im vorletzten Akt in einem Kaplan transformierte. Die Pose war der Fakt, wie der buntperückte Traum, der leicht wie der Flug des Pan wirkte, und dabei die Schwere persiflierte, die entsteht, wenn der eine Fratze werfende Alb auf der Brust Platz genommen hat, den Solar Plexus eindrückt und die Atmung schwer werden lässt. K schwankt von Szene zu Szene - peitschende Fotografin - schwimmhäutige Leni - Mann und Direktor mit den schwarz umrundeten Augen - Montagsaufseherin - rabensteiner Huld - Block haltender Stellvertreter. Die Pose war der Fakt, die in dem Gesang von Fräulein Bürstner und ihrer exaltiert naiven Sprache ihre Entsprechung fand. Eine Sirene, die K betörte, wie drei Gläser Sekt Schwarze Mädchentraube. Und die Wächter aßen Kuchen und redeten dabei, wodurch nur Laute ihre verstaubten Münder verlassen haben, die jede Bedeutung zusammenhängender Sätze untergraben. K hörte hin und verhörte sich. Scheinbarer Folientod. Unterdrücktes Klatschen. Alles auf Anfang. Blick auf den Kragen. Danach. Bastion. No-Budget-Arts.
Meine Brille, die ich an diesem Abend trage, beschlägt, obwohl es Juni ist und wir den Raum noch nicht betreten haben. Anna und ich reihen uns in die Schlange, die sich in der Damentoilette bildet. Sie wechselt schnell ihr Oberteil und trägt dann das für neun Euro mit den Applikationen am linken Träger. Sie schaut mich an, ich, eine weiße Bluse mit grauen Pullunder tragend sowie eine Lederjacke halten und sagt: "Ich sehe dich jetzt schon schwitzen." Meine Jeanshose klebt mir bereits an den Beinen. Ich trage halbhohe Stiefel und tanze damit ungeschickt, auf den neuen Absätzen balancierend. Die Wände in dem Bunker glänzen herrlich und ich kann den Verlauf des Kondenswassers beobachten, als ich mir die Haare aus dem Gesicht streiche. Wie viele Laute fanden hier Platz, frage ich mich. Das Wasser läuft von Körpern und Wänden und sammelt sich auf dem Boden, der so feucht ist, als hätte es kurz zuvor geregnet. Mein Make-up verläuft.
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Stefanie Roenneke, Mittwoch, 27 June 2007, 12:39 Uhr
Gesellschaftsdesign
Doppel-Abschluss-Seminar zu: "Was ist Gesellschaftsdesign"
Freitag, 29. Juni 2007, 20 Uhr c.t.
Wissenschaftsakademie Berlin - Elite Universität
Torstrasse 94
10119 Berlin
Referenten
Mateo Kries (Co-Direktor Vitra Design Museum Weil am Rhein)
"Design is(s)t alles: Zur Hypertrophie moderner Gestaltung"
Christian Kracht (Schriftsteller und Gesellschaftstheoretiker)
"Die letzte Utopie - Massensuizid als Gesellschaftsentwurf"
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Till Huber am Donnerstag, 28 June 2007, 08:58 Uhr:
Ich wollte gestern zu einem germanistischen Vortrag im Museum für Kunst und Gewerbe. Er sollte im barocken 'Spiegelsaal' stattfinden. Es waren sehr viele Leute dort und sie waren sehr formell gekleidet. Sie kamen mir überhaupt nicht 'germanistisch' vor und ich kannte auch niemanden. Es waren Fotografen dort, die einen älteren Herren fotografierten, der sich neben mich gesetzt hatte. Die Veranstaltung begann und es stellte sich heraus, dass ich aufgrund einer Raumänderung auf einem Keramik-Kongress zu Ehren dieses Herren gelandet war. Es war das Lustigste, was ich seit langem erlebt hatte. Als ich schließlich bei den Germanisten gelandet war, hörte ich einen sehr interessanten Vortrag bei einer konstanten Raumtemperatur von 23° und einer Luftfeuchtigkeit von 55%.
Stefanie Roenneke am Donnerstag, 28 June 2007, 11:23 Uhr:
Wer war dieser Mensch, der Keramikstar?
Es ist herrlich, manchmal vom Weg abzukommen. Erfrischend zugleich. Und ich finde, dass barocker Spiegelsaal und Keramik durchaus besser zueinander passen.
Till Huber am Donnerstag, 28 June 2007, 11:55 Uhr:
Stimmt, aber der Saal hätte aber auch gut zu dem anderen Vortrag gepasst, in dem es teilweise um Barock ging. Auf jeden Fall war die Keramikveranstaltung deutlich besser besucht (deswegen auch die Raumänderung). Der Altersdurchschnitt war auch höher. Keramikstar - könnte sein, er kam mir wie ein Sammler oder ein Mäzen vor. Vielleicht tauche ich ja demnächst in Keramik-Fachzeitschriften neben dem Herren auf.
Stefanie Roenneke, Dienstag, 26 June 2007, 14:35 Uhr
9. Juni 2007
Ich mochte dieses Geräusch. Jenes Geräusch, das entstand, wenn Julia fünf kleine Plastiktüten von der Rolle riss; ich mochte es insbesondere, wenn sie dabei lachen musste. Meistens musste ich dann auch lachen. Daraufhin verließ sie mit den Tüten in der rechten Hosentasche die Wohnung. Manchmal ging ich mit. Sie kehrte nur mit einer Tüte wieder zurück. Er hatte Humor.
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Stefanie Roenneke, Montag, 25 June 2007, 15:53 Uhr
USES
style & sensibility
high camp & low camp
naive camp & deliberate camp
queer camp & pop camp
camp & non-camp
irony & parody
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Stefanie Roenneke, Sonntag, 24 June 2007, 20:46 Uhr
ika 71
Ich kann meinen Augen nicht trauen und dabei schaue ich nur auf einen Postkartenstempel. Bereits das Postkartenbild erweckte meine Aufmerksamkeit, obwohl nur "Lüdenscheid. Im Zentrum: Am Stern "Knapperstraße" zu sehen ist. Das Bild ist koloriert. Die Farben hatten eine große Wirkung auf mich. Aber, das ist es nicht, was mich überrascht.
Lüdenscheid ist eine Stadt, die nicht einmal durch den Namen Aufsehen erregt. Der Name ist weder besonders schön noch lustig. Darüber hinaus ist es ausgeschlossen, dass Lüdenscheid als Trope oder Code funktioniert, wie es beispielsweise durch die Nennung von Hamburg, Berlin, München oder Kassel möglich war. Was verbindet man mit Lüdenscheid? Denken Sie an die erste schriftliche Erwähnung der Stadt um 1067? Denken Sie an die Einweihung des neuen Stern-Centers zur 725-Jahrfeier? Wissen Sie überhaupt wo Lüdenscheid liegt?
Die Karte, die ich in der Hand gehalten habe, ist an Elsa Roenneke adressiert "2 Hamburg 26. Süderstraße 355". Der Poststempel wurde am 29. September 1971 auf die Karte geschlagen. Vielleicht ist der Abdruck, der nach 36 Jahren besonders gut erhalten ist - fast noch frisch wirkt - Produkt einer rhythmischen Schlagbewegung gewesen. Aber ich kann mit Sicherheit behaupten, dass sie - die Schlagbewegung - sehr kräftig gewesen sein muss. Links neben diesem Stempel befindet sich ein weiterer. Ist das Werbung?
Mein Blick schweift von rechts nach links, von dem einen Stempel zu dem anderen. Ich denke, dass Elsa noch einen Monat Zeit gehabt hätte, um nach Lüdenscheid zu fahren. Auch zu dem Zeitpunkt, als sie den Postkasten geöffnet hat und ihr die Karte zwischen all den Briefen fast entglitten wäre. Sie las vielleicht nur den Gruß, dass alles okay gewesen sei, nur das Wetter nicht mitgespielt habe. Folgenden Aufdruck hat sie eventuell nicht gelesen: "1.8. - 31.10.1971 / 1. INTERNATIONALE KUNTSSTOFFHAUS-AUSSTELLUNG LÃœDENSCHEID".
Die "ika71" war der Höhepunkt und der Endpunkt der Kunststoffhausentwicklung, die 1946 auf der Ausstellung "Berlin plant" ihren Anfang genommen hat. Auf dem
70 000m² großen Gelände wurden Gebäude gezeigt, die an das Raumschiff Orion erinnerten, oder "Bio-Dom" sowie "Futuro" hießen, ein Einraumgebäude von Ronkka war dabei und das leicht gewölbte "fg 2000".
Kunststoff war einmal die Zukunft, sei es nur deswegen, weil nur eins von den genannten Häusern eine Baugenehmigung bekam. Trotzdem, es war eine Gegenwart zwischen Polymertechnik und der Suche nach Alternativen sowie neuen Möglichkeiten für Kunst und Leben. Der Gedanke daran ist vielleicht schon Grund genug, dem Kunststoff wieder mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Vielleicht sollten wir nach Lüdenscheid fahren. Vielleicht aber auch nach Erfurt. Zuerst ein wenig Utopie in der Vergangenheit spürbar und dann Funktionalität in der Gegenwart sichtbar werden lassen.
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Stefanie Roenneke, Samstag, 23 June 2007, 10:10 Uhr
Gespräch mit...
Ich: Wir brauchen einen Anfang!
Du: Wieso?
Ich: Sie wollen immer einen Anfang!
Du: Sie?
Ich: Ja. Etwas Offenes; etwas, das zum Lesen anregt; etwas, das neugierig macht; etwas, das Bewegung provoziert.
Du: Du meinst, das hastige Zittern der Augen, welches zu beobachten ist, wenn Menschen lesen?
Ich: Bewegung im Kopf.
Du: Außen und Innen?
Ich: Bewegung im Text.
Du: Eine Geschichte?
Ich: Handlung, vielleicht. Zunächst aber nur Effekte.
Du: Muss es gut sein?
Ich: Nein.
Du: Literathuren
Ich: Litthur
Du: LITTRA
Ich: THURE
Du: TOURE
Ich: FOURiEN
Du: Blanche lounge
Ich: trocken, aber lieblich
Du: Veranda
Ich: Doppelpunkt
Du: DOT
Ich: Komponente
Du: Kompo
Ich: 8Hunde
Du: ACHThunde
Ich: Spillover
Du: 7:42
Ich: we wear wigs
Du: 3w
Ich: Das Problem ist nur, dass es immer in der Infragestellung von Kompetenzen mündet.
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Tenzing am Sonntag, 24 June 2007, 14:56 Uhr:
Wahnsinn.
Stefanie Roenneke, Donnerstag, 21 June 2007, 23:39 Uhr
Catch me, Baby!
Für jene Nacht im März war das Wetter ungewöhnlich mild, denn man musste nicht unbedingt die schwarze Winterjacke tragen. Der Frühling kündigte sich an. Gegen drei Uhr morgens war die Stadt noch mit einem dunkelblauen Schatten überzogen. Hier und da machten sich ein paar Brüche bemerkbar: Es waren Lichter; es war ein künstlicher Schein, der aus Fernsehapparaten, Glühbirnen in der unterschiedlichsten Funktion und Formation sowie aus dem grellen Kitsch der Leuchtstoffröhren gebildet wurde. All dies wies darauf hin, dass etwas brannte, dass dort eventuell auch Leben herrschte.
Ich bin an diesem Tag zu früh aufgestanden und dieses Gefühl blieb den ganzen Tag bestehen. Dieser missliche Zustand oder der Gedanke daran strapazierte meine Nerven schon kurz nach dem Aufstehen. Mein Körper verlangte nach Kreislauf stabilisierenden Mitteln, ein Drang, der auf Dauer recht anstrengend sein kann. Beim Öffnen des Arzneischrankes erblickte ich nur Schmerztabletten. Ich hatte nicht mehr als drei Stunden geschlafen. Das interessierte den Bundesgrenzschutz eher weniger, als ich das Geschehen zu Protokoll geben musste. "Die Polizei verkörpert die verhassten Staatsstrukturen, die sich grundlos in den privaten Lebensbereich hineinschleichen und eine individuelle Entfaltung der Persönlichkeit verhindern. Das wachsame Auge des Gesetzes - die 'Polizeiâ' - ist kein 'Symbol objektiven Rechts' mehr. 'Schwarz bedecket / Sich die Erde, / Doch den sicheren Bürger schrecket / Nicht die Nacht, / Die den / Bösen gräßlich wecket, / Denn das Auge des Gesetzes wacht.' Zwei Parazetamohl waren besser als nichts. Ich musste nur daran glauben, weil ich folgenden Zettel vierfach faltete und mir in die Hosentasche steckte, die mit einem Druckknopf verschließbar war.
"Frau Stefanie Roenneke, geboren am 06.06.1982, wohnhaft in Hamburg, hat am 04.03.02 angezeigt, dass ihr am (Tatzeit) 04.03.02, ca. 4 Uhr, in (Tatort) Hamburg, Mönckebergstraße folgende Gegenstände gestohlen wurden:
1 Schwarze H&M-Umhängetasche, Gr. ca. DIN A4
1 Zeugnis, 1 Zeugniskopie
1 Geldbörse mit 6 Euro
1 Fahrausweis Hamburg-Bochum
1 Bahn Card, 1 EC Card
1 Bundespersonalausweis
1 Handy Marke Nokia 3310, Farbe blau, 1 Schlüsselbund
1 Krankenversicherungsbescheinigung, 1 Sozialversicherungsbescheinigung
1 Zeitschrift (Der Speigel)"
Der Plan war eigentlich ganz gut. Ich wollte um 4 Uhr 30 den Zug nehmen und spätestens um 14 Uhr wieder in Hamburg sein. Das war der Plan: einfach und nachvollziehbar. Das war er auch, nachdem ich Samstagnacht einem Exhibitionisten begegnet bin. "Wird der Fernsehkonsum und die dargestellte Sexualität dem Zuschauer zum Verhängnis? Wird die reale Bedrohung nicht wahrgenommen, die mit dem Tod des Individuums endet?" Ich bin den Rest des Weges gelaufen. Ich kannte die Stadt. Es war Nacht. Ich war kalt. Ich habe noch kurz überlegt, zurückzugehen, um ein Foto von ihm zu machen. Wie nicht was, das war die entscheidende Frage. Die Stadt war dunkel, Lichtreste, in den Konsumecken stapelten sich die Üblichen, doch die Luft war wunderbar klar (imaginiert sauber) und um mich herum war es beruhigend leer. Ich fuhr bis zum Rathhausmarkt. Es gab nichts zu beobachten, nichts zu beschreiben. Der Weg bis zum Hauptbahnhof ist nicht lang. Ich hatte diesen Gedanken.
Hamburg, 16.04.2002
Sehr geehrte Frau Roenneke,
Leider wurden Sie am 04.03.2002 Opfer eines schweren Raubes.
Ihre geraubte Umhängetasche konnte mit Teilen des Inhalts wieder aufgefunden werden. Die Tasche liegt an hiesiger Dienststelle für Sie zur Abholung bereit.
Für eine vorherige telefonische Anmeldung wäre ich Ihnen dankbar.
Mit freundlichen Grüßen
Ulazka
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Stefanie Roenneke, Donnerstag, 21 June 2007, 10:53 Uhr
Neon (1)
Hamburg war eine Stadt an der Elbe.
Alles Neon, denke ich nach vielen Jahren und meine damit nicht die Zeitschrift, die ich sowieso nicht mag. Obwohl ich mir jetzt eine Zeitschrift wünsche. Aber, dass meine ich nicht. Ich will nur etwas, dass ich ausbreiten könnte, um es Katje und mir auf die Augen zu legen, die von dem Licht um uns herum ganz ausgebrannt sind. Wir versuchen den Raum zwischen uns so klein und die Distanz zu den uns umgebenden Objekten so groß wie nur möglich zu halten: Zwanghaftes nach hinten Ziehen der Muskulatur; Schmälern des Oberkörpers; Bitte keine Berührung. Und im Gehen vorbei an den Nutten: Im Winter sehen sie so aus, als würden sie sich gleich in den Winterurlaub aufmachen. Ihr, in euren dicken Daunenjacken, Thermohosen und der locker um die Hüfte gebundenen Bauchtasche. Die Stirnbänder sind nicht zu vergessen. Ihr steht auch immer noch vor dem Hans-Albers-Platz und es hat den Anschein, als würdet ihr für das Betreten des Platzes Kaution verlangen.
"I am a dog. I am shit. Everything. Choose. " Höre ich eine raue und versoffene Frauenstimme sagen und denke, dass das auf Französisch besser klingen würde.
Aber irgendwie ist es schon gut, wie wir da so sind und uns doch an einen Kaffee klammern. Wir - distanziert hinter Glas und mit Gold gerahmt - sitzend und doch flexibel. Ich spüre die warme Luft zwischen Hand und Pappbecher, jene mit der leicht angerauten Oberfläche (die diese Becher haben können), in dem Bewusstsein, dass es das einzige Gefühl außerhalb von mir ist, das hier existiert. Und draußen rauschen sie an uns vorbei - die Nackten, die Betrunkenen, die Schönen, die Empörten, die Glitzernden, die Verwischten, die Synthetischen, die Hoffenden - und formieren sich zu dem letzten Straßenbild dieser Epoche.
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Stefanie Roenneke, Mittwoch, 20 June 2007, 13:56 Uhr
Neon (2)
Ich schließe kurz die Augen.
Hamburg hatte einen Hafen. Hamburg war niemals zu groß, aber auch nicht zu klein, an manchen Stellen schien es mir fast schon kleinstädtisch, was ich immer mochte. Ich mochte auch den Gedanken daran, dass diese Stadt einmal der Aufenthaltsort meines Großvaters war. Süderstraße. Das war irgendwann in den 80er Jahren.
Das Einzige was ich nicht mochte, war der Bahnhof in Altona und das Sitzen in der S3. Ich meine, das Sitzen in der S3 um 5 Uhr morgens.
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Stefanie Roenneke, Dienstag, 19 June 2007, 21:16 Uhr
Neon (3)
Was hatte sich eigentlich geändert? Ich lebte jetzt schon vier Jahre nicht mehr in der Stadt. Ich wachte drei Tage in einer Wohnung auf, die ganz weiß - vielleicht gewollt klinisch - eingerichtet war. Ich blickte - noch im Bett liegend - auf den Michel und hörte dem Trompeter zu, der um zehn Uhr morgens sein Lied spielte. Ich war jetzt endgültig Tourist, denke ich, als ich bereits mit einer Tasse Kaffee Gold auf dem Balkon stehe, jetzt mit Blick auf den Fernsehturm, den ich immer schön fand. Andere Fernsehtürme sind nicht so schön. Ja, ich war Tourist. Besucher.
Die Stadt, in der ich geboren wurde, lag auch an der Elbe und ich dachte damals, das wäre ein gutes Zeichen.
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Stefanie Roenneke, Dienstag, 19 June 2007, 14:38 Uhr
Betonseelen
Hey Girl, dein karierter Rock ist zu kurz für deine Beine. Hey Girl, was ist es, was du mit der Hilfe zu hoher Pumps ungeschickt auf den Oberschenkeln trägst? Kannst Du es nur im Spiegel sehen? Kannst du es nur sehen, wenn du deinen Oberkörper um neunzig Grad nach hinter drehst, deine Hand erst den einen und dann den anderen Oberschenkel umklammert und du dein besticktes Fleisch in die Richtung deiner Augen ziehst? Wie war es, als die Nadel stoppte? Wie war es, als sich deine penetrierte Haut nach Frischhaltefolie sehnte? Erinnerst du dich an den Moment, als die Handschuhe zu Boden fielen, welche am Ende weich gezackt waren, jedoch keine Baumwollfütterung enthielten? Was denkst du gerade, als du an uns vorbeigehst, uns nicht gefällst, sondern nur reizt?
self-aware Kitsch
Camp
SOBIG
Nur du kannst uns die Antwort geben, Schleifenmädchen.
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Christian Kracht am Dienstag, 19 June 2007, 15:39 Uhr:
Flogging a dead horse, perhaps: Der schweizer Fernsehsender wirbt erneut fuer vernichtende Kritiken zu "Metan": http://www.art-tv.ch/391-0-literaturkritik-l-meinungen-zu-metan.html
Stefanie Roenneke am Dienstag, 19 June 2007, 17:28 Uhr:
Aber ich bitte die leidenschaftliche Rezension von Anna Zygiel für art-tv zu beachten, die an diesem Ort am 4. Juni ausführlich vorgestellt wurde und in voller Länge - und unverändert - nachzulesen ist.
Stefanie Roenneke, Montag, 18 June 2007, 13:45 Uhr
Streckung
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Stefanie Roenneke, Sonntag, 17 June 2007, 18:41 Uhr
Bild aus der Vergangenheit (Teil 2)
hier: Bild eines dreijährigen Mädchens mit Blut im Gesicht und auf dem Pullover, der ihr Auge sein könnte. Im Hintergrund dunkles Furnier, welches die Kleiderschränke der Eltern ziert. Sie lächelt.
Warum lächeln Menschen auf Fotos?
Wirklich?
Ja. Schon oft.
Konvention.
Aber, warum?
Um sich zu erinnern.
Verstehe ich nicht.
Um sich zu erinnern: an Gutes, Schönes...positiv bewertete Ereignisse.
Mhm. Aber, das ist doch eigentlich völliger Quatsch.
Ja, ich weiß.
Trick?
Ja, keine Realität.
Aber, ist sich jeder darüber bewusst?
Nein, natürlich nicht...sonst...Zusammenbruch...total.
Einigen aber schon, oder?
Ja.
Was ist es für die?
Groteske. Effekt.
Und weiter?
Möglichkeit zur Übertreibung.
Grenzenlos?
Kommt drauf an.
Bitte?
Tod...würden erstere behaupten.
Die Lächelnden?
Ja.
"Teufelskunst."
Ja...würden erstere behaupten.
Und letztere?
Wir würden uns auch erinnern...aber eben anders...irgendwie.
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Stefanie Roenneke, Samstag, 16 June 2007, 15:32 Uhr
Waschkultur
Das Necessaire, oder einschlägig bekannter der Kulturbeutel oder die Waschtasche, alternativ auch der Toilettenbeutel, kann ca. 30 Zentimeter lang, ca. 18 Zentimeter hoch und ca. 7 Zentimeter breit sein. Je nach Füllung variiert das Gesamtvolumen, über dessen Berechnung ich an dieser Stelle schweige.
Diesem kleinen Täschchen bzw. Beutelchen oder auch Behälterchen wird in einer Reisestasche meistens zu wenig Platz eingeräumt, weil die/der Reisende sich zu lange mit der Frage quält, in welcher Weise die Blusen bzw. Hemden geschickt gefaltet werden könnten, damit der Transport des Reisebügeleisens ausgespart werden kann.
"Mh? Das Necessaire: Notwendigkeit oder Last?"
1. Fühlt sich die/der Reisende durch den Transport persönlicher Köperpflegeprodukte durch öffentliche Räume peinlich berührt?
2. Ist es die Angst vor der Bewusstheit der anderen, dass sich nicht nur "Utensilien zur Nagelpflege" im Necessaire befinden, wie der Eintrag in der so genannten Freien Enzyklopädie verspricht?
3. Ist es die Vorahnung, dass man in einem halben Jahr die gleiche kleine Tasche in den Händen halten wird, die man schon für immer verloren geglaubt hätte und beim Öffnen Dinge ersichtlich werden, dessen Existenz immer bezweifelt wurde?
4. Ist es die Erfahrung eines intensiven Schockeffektes, der sich beim Blick in das Täschchen einstellt, welcher durch die große kombinatorische Kraft hervorgerufen wird, die diesem Produkt implizit ist?
"Notwendigkeit! Absolute Notwendigkeit."
Ich habe vor kurzem ein altes Exemplar gefunden. Diese Waschtasche, eine andere Wortwahl wäre hier unzutreffend, roch ganz fürchterlich nach Autan. Nach kritischer Inspektion stellte ich heraus, dass es sich dabei um eine ausgelaufene Parfümprobe handelte, die das Tascheninnere hauchfein beschichtete. Zwar wusste ich jetzt wieder, wie die Vergangenheit roch, aber leider werde ich nie erfahren, was sich auf dem Mittelformatfilm befand, der etwas durchfeuchtet und unaufgerollt in der Seitentasche lag. Keine Bilder zum Geruch. Nur eine Ahnung. Nach der kurzen Überlegung, ob der Film mal in der verachteten Hasselblad oder der geliebten Mamiya RZ 67 lag, war ich nur froh darüber, dass die Zeiten vorbei waren, in denen man noch ein Stück Seife in einer Seifenschachtel durch die Gegend schleppte, die immer glitschig war.
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Stefanie Roenneke, Donnerstag, 14 June 2007, 15:48 Uhr
Fadenlauf
Erinnerst Du Dich noch? Du bist zu früh aufgewacht. An diesem Tag. Sonntag, nicht wahr? Erinnere Dich auch an die morgendliche Kälte, die über Deiner Bettdecke schwebte und Dich daran hinderte - fast überzeugte - nicht aufzustehen! Weißt Du noch was du hören konntest? Erinnerst Du Dich selbst? "Es war das leichte Rauschen, welches immer zu hören ist, wenn andere behaupten es handele sich um Stille, wenn andere die schwingende Bewegung des Hauses, das sporadische Knacken des Interieurs, und den Rhythmus der menschlichen und tierischen Köper vergessen."
Es waren zu viele Gläser von irgendwas, zu viele Zigaretten, zu viele falsche Sachen, zu viele Träume, zu viele Wünsche, zu oft die Feststellung, dass sich mein Körper an den trinkenden Umstand gewöhnt hat und diese Gewöhnung wiederum Evolution, Bruch oder Auflösung bedeuten kann - nein - zur Folge haben muss: Fortschritt bei gleichzeitigem Rückschritt!
Ich durchbreche die Erinnerung, indem ich mit der Hand über die Bettdecke gleite und mir das Geräusch, hervorgerufen durch diese Bewegung, ungewöhnlich laut erscheint. Daraufhin habe ich mich auf die linke Seite gedreht. Ich hänge - mit meinen durch die Bettkante zweigeteilten Leib - ungeschickt zwischen Bett und Nirgendwo. Meine Augen inspizieren den opulenten Teppich, der auf das schlecht verlegte Parkett gelegt wurde. Mit dem Zeigefinder der rechten Hand, des noch frei beweglichen Armes, gleite ich über das Muster, welches durch ein aufwendiges Webverfahren entstanden sein muss. Durch das Abfahren der immer gleichen (staubig fusseligen) Strecke, wird meine Fingerkuppe ganz warm. Ebenso mein Fingernagel. Bevor ich in einer halbe Stunde feststellen werde, dass mein linker Arm schmerzt, gleite ich zunächst, eine kreisende Bewegung machend, mit meinem Daumen über den Finger.
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Stefanie Roenneke, Dienstag, 12 June 2007, 22:08 Uhr
Die Liste (2)
1. Prin'zip, das, -s, -e 1. Grundsatz, Grundlage 2. Regel, Richtschnur 3. Gesetzmäßigkeit
2. Kon'zept, das, -(e)s, -e 1. Plan, Programm 2. Entwurf, Skizze (z.B. e-r Rede)
Beispiele (eine Auswahl)
(a) Im Restaurant immer nur Tomatensuppe bestellen. Die Anwesenheit der immer gleichen Menschen vorausgesetzt.
(b) Aufgrund der einen impliziten Entscheidungsunfähigkeit immer das Erste von der Karte wählen.
(c) Es vermeiden Spiegelreflexkameras in ernsthafter Absicht in die Hand zu nehmen.
(d) Haare schneiden und ohne Mütze auf dem Düsseldorfer Bahnsteig stehen. Dabei nur an den Automaten mit Druckerpatronen denken, der sich neben der Toilette befindet, worin zunähst halbseidene Strumpfhosen vermutet wurden (aus der Ferne betrachtet).
(e) Menschen, die man sehr mag und schätzt, immer nur mit Vor- und Nachnamen sowie mit "Sie" anreden (mündliche Kommunikation).
(f) Menschen, die man sehr mag und schätzt, immer auch mal mit "Du" anreden.
(g) Merkwürdige Aufträge (die man selbst vorgeschlagen hat) erfüllen, ohne an die Folgen zu denken.
(h) Sich überraschen lassen!
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Till Huber am Mittwoch, 13 June 2007, 10:57 Uhr:
Mit (a) und (b) macht man sich unglücklich. Man wird nie über den Tartar- und Feldsalat-Bereich hinauskommen. Dann lieber freier Wille. (e) und (f) werd ich mal in meiner Alltagspraxis ausprobieren.
Stefanie Roenneke am Mittwoch, 13 June 2007, 11:04 Uhr:
Lieber Herr Huber,
vielleicht haben Sie Recht. (b) führt wahrscheinlich zu einem sehr unbegfriedigendem Geschmackserlebnis: Fehlende Fettverbindungen, die bekanntlich nicht nur Geschmack, sondern auch ein wohliges Gefühl in Hirn und Bauch bringen.
Aber (a) ist dennoch sehr schön, weil man nach einer bestimmten Zeit, die anwesenden Personen in den Wahnsinn treibt und sich dabei köstlich amüsiert.
Bitte berichten Sie über ihre Erfahrungen mit (e) und (f).
Ingo Niermann am Mittwoch, 13 June 2007, 11:57 Uhr:
Wo steht das nahrhafte Tartar noch an erster Stelle? Schön wärs.
Till Huber am Mittwoch, 13 June 2007, 14:17 Uhr:
Liebe Stefanie Roenneke,
Sie könnten das noch auf die Spitze treiben, indem Sie heißes Wasser bestellen und sich Instant-Tomatensuppenpulver mitbringen, das Sie dann gegen ein "Korkengeld" (ich gebe zu, der Begriff passt hier nicht so gut) in das Wasser einrühren. Hier noch die Nr. 1 eines bekannten Hamburger Asia-Restaurants:
Kleine Suppen
Hühnersuppe - mit Gemüse 2,10 Euro
in vielen Fällen wird man Suppenbereich landen, was ja auch okay ist. Gegen Tomatensuppe ist ja wirklich gar nichts einzuwenden.
Lieber Herr Ingo Niermann,
DAs steht z.B. in Restaurants mit quasi-systematischer Tageskarte. Ich glaube Tartar ist innerhalb der Nouvelle Cuisine inzwischen auch ein Format: Im Prinzip sind alle möglichen Tartar-Komposita möglich (Lachs-Tartar, Ananas-Tartar,...).
Mich würde noch interessieren, was die Berliner Blogger von sogenannten "Weinereien" halten (gibts meines Wissens nur in Berlin). Die arbeiten meistens ohne Speisekarte und mit einer anti-autoritären Zahlungspolitik.
Tenzin am Mittwoch, 13 June 2007, 18:15 Uhr:
Liebe Stefanie, Es tut mir leid, dass ich Dich verpasst habe aber es ist eine Sache dazwischen gekommen.
Lieber Ingo, guten Appetit.
Stefanie Roenneke, Sonntag, 10 June 2007, 23:19 Uhr
Berlin ist immer eine Überraschung
Was weiß ich denn so über Berlin? Wo bin ich sonst immer ausgestiegen? Zoo? Ostbahnhof? Vergessen. Ich weiß also nichts über Berlin, abgesehen von dem Berlin, das einem im Geschichtsunterricht, in Vorlesungen oder Seminaren begegnete. Ein ganzes Schulleben lang: Berlin. Aber auch davon weiß ich nichts mehr. Nicht einmal die Namen der Lehrer. Das Wort Berlin besteht aus sechs Buchstaben. Das weiß ich.
Also, ich fahre mit dem Rücken zur Stadt in den Hauptbahnhof ein. Und während mein Blick in den Gang fällt, auf zu dicke Füße in zu engen Schuhen, weiß ich plötzlich wieder, dass es hier oder dort mal eine Mauer gab. Ich weiß auch, dass ich als kleines Kind immer dachte, diese Mauer stünde nicht nur in Berlin. Das war natürlich nicht so und ich war schon etwas enttäuscht von dem Anblick der Grenzüberläufe. Lächerlich.
1. Akademie der Künste
2. Kreuzberg
3. Friedrichshain
4. Zehlendorf
5. Tiergarten oder Moabit
6. Spree
a) Kaffee
b) Tee
c) kalter Saft mit Wasser
d) Kuchen
e) kackende Hunde
f) Stencil "MAX WEG"
g) bezahlt
h) kein Geld zurück
i) Kirschbaum
j) Bier
Wie lange ist es her, als wir uns das letzte Mal gesehen haben?
10 Jahre?
Sind es wirklich zehn Jahre?
Aber ich habe Dich erkannt, als Du vor dem Hauptbahnhof standest und mich mit dem Mobiltelefon in der Hand suchtest.
Wie lange haben wir uns nicht gesehen?
Vier Jahre?
Ich denke: Der Klang Deiner Stimme, Deine Art und Weise? Ja, das bist Du. Und ich. Hier.
"Lass mich dich erst einmal anschauen.", sagt mein Patenonkel. "Die Ähnlichkeit mit deinem Vater ist wirklich verblüffend.", sagt er mit den blauen Augen, die ganz milchig wirken.
Ich denke, ja, Deine Ähnlichkeit mit Dir und meinem Vater ist auch verblüffend. Nur, dass Du 91 Jahre alt bist und er damals gerade 56 Jahre alt war und ich im Juli 2003 das Krankenzimmer betrat und wieder raus ging, weil ich es nicht ertragen konnte. So war es, als ich ihn das letzte Mal sah, bevor er im Dezember 2003 starb. Da war er aber schon 57. Ich war nicht da.
Aber jetzt bin ich hier. Ja, Deine Ähnlichkeit ist verblüffend. Ich frage mich auch, ob Du schon immer so klein gewesen bist, oder ob das im Alter kommt. Na gut, damals war ich auch kleiner, jetzt bin ich ein wenig größer. Ich bin gewachsen: zwischen 1994 und 2007. Man spielt noch Klavier, hat es gestern erst stimmen lassen, man liest noch viel (gerne klassische Texte), man fährt noch gerne Rad, man teilt sich gerne ein Stück Kuchen.
An die kurzen Haare muss ich mich erst noch gewöhnen.
Ich trage sie seit drei Jahren so.
Wann haben wir uns das letzte Mal gesehen?
Vier Jahre?
Ich habe nichts von dieser Stadt gesehen: Ich habe meinen Körper nicht über den warmen Asphalt, nicht durch die heiße Luft, nicht durch Museen, Galerien, Läden, Menschen und fremde Gebäude geschoben.
Ich war kein Danziger Goldwasser.
Ich war kein Apparat.
Ich war keine Beobachterin.
Ich war keine Phänomenologin.
Und, was weiß ich jetzt über Berlin? Ich weiß, dass in Berlin mal eine Mauer stand. Ich war sechs Jahre nicht in Berlin. Ich hatte meine Gründe.
Mit dem Blick zur Stadt aus dieser heraus.
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Stefanie Roenneke, Sonntag, 10 June 2007, 19:53 Uhr
"Die Wechselbeziehung...
...zwischen Langeweile und [Unfähigkeit] kann kaum überschätzt werden."
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Stefanie Roenneke, Donnerstag, 07 June 2007, 13:25 Uhr
6. Juni 2007 - Confession
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Stefanie Roenneke, Mittwoch, 06 June 2007, 06:00 Uhr
"positional good"
Nach dem Trinken des zweiten Glases - durch ein Apfelaroma bestechender Alkohol (Le Manzane Prosecco Conegliano Valdobbiadene) - werde ich bei mir eine fortschreitende Trunkenheit erfahren, die zu einer fürchterlich theatralischen Sentimentalität führen wird, die sich an solchen Tagen einstellen kann.
Sie sagt: "Es ist sehr schön mit euch." Sie denkt, dass es Tage waren (auch wenn es im Vollzug oft nicht so scheint), die sie - mehr als die Jahre zuvor - Sekunde für Sekunde ein Stück weiter entfernt haben, von dem Zustand (einem Tier gleich), der sich einst zeigte, als sie feststellen musste, dass an mehreren Seilen zu oft gewaltsam gezogen wurde, und sich dann noch jemand in der Glut aufbäumte - ein letztes Mal - um für immer zu Asche zu zerfallen. Sie begreift, dass dieser Scheiterhaufen letztendlich mehr war, als nur eine gefällte Esche.
Glas Nummer drei haltend, sage ich: "Zum Wohl!"
(kurzzeitiges - sich wiederholendes - Schwindelgefühl, was ich aber gerade sehr schön finde und für mich nutzbar mache)
Erste imaginierte Ohnmacht des Tages.
"Ich brauche sofort eine Zigarette. Ich habe etwas Schlimmes getan. Ich habe in meinen Gedärmen gewühlt."
Grinsende Zufriedenheit.
Meine lieben mit Perlmutt beschichteten Freunde, denkt Sie noch einmal. Kein Jahr ohne euch, ihr bekannten und neuen Gesichter, in die ich blicken durfte und darf; erinnerte Gesichter, die zum Vorschein kommen, wenn ich die Augen schließe und mit meinen Fingern behutsam auf die Lider drücke. "Ich verehre euch alle sehr!" Sie ist nun mal eine verkitschte Person.
"Schenk mir nach. Schnell."
(Ja! Du, ihr, und ich.)
In einem schlechten Englisch murmelt Sie: "Twenty-five. My age." Daraufhin nimmt sie Samt & Seide von ihren Gedanken, denkt an den großartigen Schauspieler Johnny Depp, Hergé, die Spiegelbestsellerliste, an die Differenz zwischen E- und U-Musik, an Gottfried Keller, der einst schrieb "Denken heißt unterscheiden." und nochmals an euch. Respekt.
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Stefanie Roenneke, Montag, 04 June 2007, 15:42 Uhr
METAN reloaded
Person: Anna ZYGIEL wurde in KRAKAU geboren. Seit Ende der 80er studiert sie deutsche Lebensart. Sie beherrscht Deutsch und Schwedisch in Schrift und Wort, Polnisch in der Klangvielfalt. Die noch in BOCHUM lebende SONDERPREISGEKRÖNTE Autorin (1 Text = 1 Preis) hat eine große Schwäche mit ihren Mitbewohnern polnischen Wodka zu verzehren, der bereits Zimmertemperatur erreicht hat. Sie mag Wolfgang Welt, weil der immer noch am Bochumer Schauspielhaus arbeitet (der Nachtportier).
Motivation: Neben dem seit fast zwei Jahren bestehenden Wunsch, das Psych-Out-Quartett von Katharina KOPPENWALLNER aus DER FREUND NR. 3 zu spielen, welches bereits kopiert, geschnitten, geklebt und laminiert auf ihrem Schreibtisch liegt, hat sie es sich zum Ziel gemacht, die überforderte Redaktion von ART-TV mit einer Rezension des Buches "METAN" zu beglücken. Anna ZYGIEL musste eingreifen, weil die Verweigerungshaltung der Redaktion gegenüber dem Buch so groß war, dass diese ausschließlich auf zwei Rezensionen bei Amazon verwiesen hat. Wie sich herausstellte, handelte es sich dabei um einen Beitrag, die lediglich zweimal zitiert wurde.
Rezension: Die gläubige KATHOLIKIN bezieht sich in ihrer Rezension raffiniert auf den polyphonen Beitrag mit Christian KRACHT und Ingo NIERMANN, der auf ART-TV zu sehen ist. Sie rekurriert unter anderem auf den letzten Satz von Ingo NIERMANN: "Wir sind wenn, dann PROPHETEN". Darüber hinaus wurde sie beim Verfassen ihres Textes von dem sympathischen Lächeln und wohlwollenden Nicken des Autors Christian KRACHT inspiriert, das zum Vorschein kommt, als Autor Ingo NIERMANN folgenden Satz sagt: "Man steht unter der Kontrolle eines MACHTSYSTEMS von einzigartiger AUSDEHNUNG: dem METAN."
Obwohl die Redaktion die Geschäftbedingungen noch einmal modifizierte, sei hiermit bestätigt, dass 'Anna ZYGIEL' die 'Autoren' sowie die Schweizer Alpen noch nie gesehen hat. So sei es!
Link zu der gekürzten & kommentierten Rezension (für das Original auf "Mehr" klicken):
http://www.art-tv.ch/391-0-literaturkritik-l-meinungen-zu-metan.html
[Mehr]: Sprachrohre der METANisierung
Statt der narzisstischen Egozentriker, die man sonst aus den Werken des Autors Christian Kracht kennt, trifft man in "METAN" von Ingo Niermann und Christian Kracht auf methanisierte Avatare.
In dem ersten Teil der Trilogie "METAN" weichen klingende Markennamen dem Widerhall methanisierter Bergsteiger, die die Weltgeschichte einiger auserwählter Staaten in einen Panmetankomplott verstrickt sehen, welcher die Welt in Feinde und Freunde des Metans teilt. Gleichzeitig wird versucht den Leser durch dieses Buch sukzessesiv zu methanisieren, um somit die Welt unter die Kontrolle eines einzigartigen Machtsystems zu stellen, das sich fast naturgemäß um "1979" dreht.
Der afrikanische Vulkan Mount Kilimanjaro ist - laut der Autoren - mit der Unzahl seiner Methlocs ein locus amoenus und das METAN ist eine sich selbständig machenden Allegorie, die unterstreicht, dass unser Planet Erde von unsichtbaren Zivilisationsformen beherrscht wird.
Eine Annährung an die Gefahr, die von primitiven Formen ausgeht, ist am anschaulichsten über die Flatulenz herzustellen. "Das METANgetüm hört alles" und es ist sich für nichts zu schade. Der Panmetanismus birgt die Gefahr der Terraformierung, die mit der Vrilkraft zusammenhängt und endet schließlich immer in der Aufzucht von Kühen.
Metan, Atmen, Mmmm und Mmmmuuu klingen genauso wie der perfide aufgedunsene Boom nichts sagender Abkürzungen und Anglizismen.
Chaotische Ordnung, nachhaltige Wiederholungen, die sich häufende Nennung des Wortes "Atombombe", sowie die narkotisierenden Assoziationsstränge zeichnen "METAN" aus und verdeutlichen im Grunde nichts anderes als das METAN selbst.
Das Buch der Autoren Christian Kracht und Ingo Niermann ist ein gelungenes Beispiel für die neue literarische Hybridform, die zwischen Schocker und Doku-Fiktion osziliert; NUR dieses Genre kann dem METANgetüm gerecht werden.
Die romantische Ironie steckt letztlich auch in den von Anthony Shouan-Shawn geschossen Bildern, der Tafel. Wer eine Geschichte will, muss sich die Bilder angucken. Frappant ist somit die Magie mit der die Autoren einen neuen Mythos schaffen. Daher gehört METAN zum Gesamtkomplex. Nolens volens werden die Autoren damit zu Sprachrohren, zu Propheten - des Metans. Zur ihrer Funktion passt am besten die dichteste Kurzantwort, die da heißt "Amen" und sicherlich im METAN mitschwingt.
Welchem Stoff sich der zweite und dritte Teil der Trilogie widmen wird, bleibt offen.
Mein Dank gebührt meiner "Privatlehrerin", die mir das Buch empfohlen hat.
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Stefanie Roenneke, Sonntag, 03 June 2007, 14:36 Uhr
Kontrollieren & Aussondern
Liebe Stefanie Roenneke,
So, Sie haben sich zehn Tage mit ihrer mittelmäßigen Einstellung gegenüber dieser Arbeit zufrieden gegeben. Sie haben es geschafft eine Haltung an den Tag zu legen, deren Ruhe und Gleichgültigkeit sie selbst überrascht hat. Nur als der Zeitpunkt näher rückte, dass sie diese Arbeit und deren implizite Mittelmäßigkeit einer Öffentlichkeit preisgeben sollten - auch wenn es sich dabei nur um eine kleine Öffentlichkeit handelt - haben Sie festgestellt, dass Ihnen diese, auf einigen Seiten niedergeschriebene, Attitüde peinlich und unangenehm ist.
Wollten Sie wirklich so gehen? Wollten Sie diesen Misserfolg wirklich zulassen? Wollten Sie diese Mischung aus geschickt eingesetzter Methode und inhaltlich minimaler Stringenz durchgehen lassen? Warum denn nur?
Ich weiß, dass Sie unzufrieden sind, da Ihnen diese Arbeit 'aufgebrummt' worden ist, weil Studienordnungen manchmal in Kraft treten und dann doch jeder macht, was er für richtig hält. Ich weiß, dass Soziologie nicht ihr Schwerpunkt ist, sondern nur 'Ergänzungsbereich'. Ich weiß, dass Sie Literatur, Ästhetik, Kunst und Leben, soziale Kontakte und zu Teilen auch Linguistik bevorzugen. Ich weiß, dass Sie endlich mit Ihrem - wie sie es nennen - Coup anfangen woIlen. Ich weiß, dass Sie Ihr Examen über die Bühne bringen wollen. Ich weiß, dass dieses sich selbst kontrollieren und sich selbst aussondern über Monate hinweg ermüdend ist. Ich weiß, dass Sie es trotzdem wollen.
Aber, ich weiß auch, dass sie Politikwissenschaft und in diesem Zuge auch etwas Sozialpsychologie und Sozialanthropologie studiert haben und aus diesem Grund dieses soziologische Brimborium von Ihrem schmalen Erkenntnishorizont gar nicht so weit entfern ist. Darüber hinaus haben Sie immer den Eindruck gemacht, dass Sie es interessieren würde. Sie können sich ja für so viel begeistern.
Also, reißen Sie sich zusammen, rufen Sie sich Ihre akademischen sowie weltlichen Erfolge ins Gedächtnis und denken Sie bei Butler einfach nur an den Begriff Parodie, ich gewähre Ihnen Aufschub bis zum 11. Juni 2007.
Aber bitte hören Sie jetzt auf die letzten fünf Jahre zu verlachen; immerhin haben Sie am Ende diesen Jahres folgende Statistik. Lassen Sie mich mal zählen: 10 Protokolle, 3 Rezensionen, 8 Essays, 15 Referate, 13 Klausuren, 15 Hausarbeiten, 7 mündliche Prüfungen.
WO & WIE leben Sie und WAS halten Sie eigtentlich von fliegenden Steinen?
Ihre Stefanie Roenneke
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spalanzani am Montag, 04 June 2007, 10:20 Uhr:
Sie studieren also, Frau Roennecke?
Stefanie Roenneke, Samstag, 02 June 2007, 17:58 Uhr
Blink
"Mitteilung des Verlages [...] "
"Private Krankenkassen für viele Männer teurer [...]"
"Abkommen über Polizei-Digitalfunk [...]"
"Bush sagt Taliban Unterstützung zu [...]"
"Leyen: Länder müssen sich an Kosten beteiligen [...]"
"[...]"
Ich bin heute um fünf Uhr aufgestanden, um von sechs bis neun Uhr Seite fünf bis acht der Hausarbeit zu schreiben, die ich am Montag abgeben muss/will. Ich habe heute definitiv zu oft die Wörter Butler, Postmoderne, Dekonstruktivismus, Sprache und Performanz geschrieben. Ich habe mir kurz nach neun Uhr die Zeitung geholt. Ich habe um zehn Uhr die Wohnung verlassen. Vielleicht schreibe ich heute noch Seite acht bis zehn. Es ist Samstag, nicht wahr? Ich bin müde. Ich zuckte nicht einmal mit der Wimper. Ich habe das Und-Syndrom.
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Ingo Niermann, Samstag, 02 June 2007, 09:43 Uhr
ReFood
ReFood is eine scheinbar mißverständliche Firmenbezeichnung. Denn die Speisereste werden nicht zu Tierfutter o. ä. aufbereitet, sondern nach Zerkleinerung, Hygenisierung (1 Stunde bei 70 Grad), Vorsäuerung und Fermentierung zu Gärresten (die zur Düngung auf landwirtschaftliche Felder aufgebracht werden) und zu von der Firma nicht näher bestimmtem Gas, aber natürlich ist es XXXXXX - das eigentliche ReFood, wie jeder Leser des Buches XXXXX weiß.
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Stefanie Roenneke am Samstag, 02 June 2007, 16:07 Uhr:
Entsorgungssicherheit bei ReFood bedeutet so viel wie: Organikfraktionen - Organikmengen - Rohwarenströme - Havariefall
Stefanie Roenneke, Freitag, 01 June 2007, 11:44 Uhr
Nur das Kino
"Ich will Aufstehen und in der Stadt umhergehen auf den Gassen und Straßen und suchen, den meine Seele liebet, ich suchte, aber ich fand ihn nicht. Es fanden mich die Wächter, die in der Stadt umhergehen. Habt ihr ihn gesehen, den meine Seele liebet?"
"[...] und man goß Bier auf Tralalas Brüste und jemand rief nun bist du getauft und das Bier lief ihr den Leib hinunter [...]"
Zitate aus: Last Exit to Brooklyn von Hubert Selby
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